Die
am häufigsten
gestellten Fragen in Kürze beantwortet |
Frage |
Antwort |
Was
meint man eigentlich mit Cognitive Enhancement? |
Es
handelt sich hierbei um einen Fachbegriff, der sich im
englischsprachigen Diskurs eingebürgert hat. Wörtlich
übersetzt würde man von einer kognitiven
(geistigen) Verbesserung sprechen. Die Verbesserung wird
dabei meist von einer Therapie abgegrenzt, die es zum Ziel hat, ein
normales Maß wiederherzustellen. Es ist allerdings nicht
endgültig geklärt, wie sich eine solche Trennung
zwischen Verbesserung und Therapie sinnvoll ziehen lässt. Es
wurde außerdem kritisiert, mit "Verbesserung" würde
man schon eine positive Wertung nahelegen. Das Gegenteil wird mit dem
Begriff des "Mind Dopings" suggeriert. Neutral könnte man wohl
von einer Intervention zur Steigerung der geistigen
Leistungsfähigkeit sprechen. Als Mittel sind
bisher vor allem Drogen und Psychopharmaka im Gespräch. |
Wie
stark ist Cognitive Enhancement schon heutzutage verbreitet? |
Díe
genauen Zahlen sind schwer abzuschätzen. Erstens ist die
Datenlage eher
dürftig, vor allem für den deutschsprachigen Bereich.
Es gibt zwar ein
paar gute Studien aus den USA, doch lässt sich keine von ihnen
leicht
verstehen. Beispielsweise untersuchte eine 2005
veröffentlichte Studie
von McCabe und Kollegen die Verbreitung von Stimulanzien, die an
US-Colleges aus nicht-medizinischen
Gründen
genommen wurden. Die
Zahlen sind deshalb begrenzt interpretierbar, da
die Stimulanzien einerseits auch aus anderen Gründen
genommen werden,
beispielsweise
zum Erleben eins Rauschzustands oder zum Zügeln des Appetits.
Andererseits dürften manche Studierende sich über den
Umweg einer
diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörung Zugang zu den Mitteln
verschafft haben, sodass ihr Konsum medizinisch
wäre, obwohl sie sich davon in Wirklichkeit eine
Leistungssteigerung versprechen. Allgemein lässt sich aber
sagen, dass die
Verbreitung in den Medien meist übertrieben oder sogar
offenkundig
falsch dargestellt wird und (bisher) weniger als zehn Prozent
der
Studierenden in den USA die Substanzen nutzen dürften - und
vor allem
nicht regelmäßig. |
Welche
Substanzen sind bisher im
Gespräch und wie wirken sie?
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Als
beste Kandidaten werden meist die Wirkstoffe Amphetamin,
Methylphenidat und Modafinil
genannt. Die ersten beiden sind auf ärztliche Verschreibung
erhältlich und unterliegen dem
Betäubungsmittelgesetz, da sie ein erhebliches
Missbrauchspotenzial besitzen. Die dritte kann zur Behandlung
bestimmter Schlafstörungen verschrieben werden. In
pharmakologischen Studien wurde mehrmals eine Steigerung der geistigen
Leistungsfähigkeit beobachtet, wenn Versuchspersonen eine
dieser Substanzen erhielten. Allerdings gibt es auch andere Studien, in
denen keine Verbesserung auftrat oder sogar eine Verschlechterung
messbar war. Besonders brisant ist, dass durch die Mittel auch der
Gefühlszustand oder die Selbsteinschätzung
beeinflusst werden kann. So hielten sich die Versuchspersonen in einer
Studie mit Methylphenidat zwar für besser, waren es in
Wirklichkeit aber nicht. Da unser Wissen um die
Neurotransmittersysteme des Gehirns unvollständig ist und
Psychopharmaka darin auf komplizierte Weise eingreifen, sind ihre
Wirkungen nicht genau
verstanden. Selbst für Amphetamin, das seit
mehr als 100 Jahren pharmakologisch erforscht wird, entstehen
ständig neue Forschungsfragen.
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Wie
Aussagekräftig sind Laborexperimente?
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Die
verwendeten Testbatterien sind meist darauf geeicht, krankhafte
Veränderungen in der geistigen Leistungsfähigkeit
festzustellen. Das heißt, die angewandten Konstrukte sind
für den klinischen Alltag entwickelt, um anhand von
Normabweichungen Diagnosen zu unterstützen. Es
ist bisher völlig unklar, inwiefern sich diese Ergebnisse in
den Alltag übertragen lassen.
Auch wenn jemand dank Pharmakologie in einer Art
Memory-Spiel
besser abschneidet oder sich mehr Zahlen in einer Reihe merken kann,
wird er deshalb nicht gleich bessere Leistung in einer Klausur
erbringen können. Schlimmstenfalls kann sich die Leistung
sogar
verschlechtern, wenn die Stimulanzien beispielsweise die
Impulsivität erhöhen und man deshalb Fragen voreilig
beantwortet und deshalb einen falschen Lösungsweg
wählt.
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Welche
Nebenwirkungen sind zu
befürchten? |
Je
nach Substanz und Dosis können hier unterschiedliche Probleme
auftreten. Jedenfalls ist ein genaues Lesen der Packungsbeilage zu
empfehlen; diese Möglichkeit haben natürlich nicht
diejenigen Leute, die sich die Substanzen illegal beschaffen. Man kann
sich aber auch im Internet, vor allem im englischsprachigen Raum,
über die Nebenwirkungen informieren. Beispielsweise stellt die
oberste Gesundheitsbehörde der USA, die FDA, aktuelle Medikamenteninformationen ins Netz.
Die amerikanischen Handelsnamen für die oben genannten
Substanzen sind Adderal ®, Ritalin ® und Provigil
®. Als Nebenwirkungen werden immer wieder
Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Nervosität,
eingeschränktes Sehen und Magen-Darm-Probleme genannt. In
ernsteren Fällen kann es zu Störungen des
Herzkreislaufsystems, Schlaganfällen sowie schweren
psychischen Störungen kommen. Höchste
Vorsicht ist insbesondere bei Menschen angesagt, die bereits
körperliche oder psychische Erkrankungen haben. Eine Einnahme
dieser Substanzen, insbesondere von Amphetamin und Methylphenidat, kann
dann lebensgefährlich sein. Vor allem aber
fehlen belastbare Daten zu den physischen und psychischen
Langzweitwirkungen des regelmäßigen Konsums.
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Was
ist falsch am Cognitive Enhancement? |
Ein
Fehler besteht meines Erachtens darin, die geistige
Leistungsfähigkeit überzubewerten.
Wir wissen seit Jahrzehnten, dass ein größeres
Maß an
kognitiver Leistungsfähigkeit keinen
größeren Erfolg
oder kein größeres Glück garantiert. Wer
sie
überbewertet, wird auch auf dem verbesserten Niveau wieder vor
der
Frage stehen, ob er sich nicht noch weiter verbessern müsse.
Ein
weiteres Problem besteht darin, dass die Beschaffung der Substanzen an
den gesellschaftlichen Regeln vorbei eine Form der Selbstjustiz
darstellt, die eine allgemeine Zulassung des Enhancements vorwegnimmt. Damit
verhalten sich die Konsumenten ihren Konkurrenten gegenüber,
die sich an die Regeln halten, unfair.
Am schlimmsten finde ich hierbei aber, dass die wissenschaftlichen
Daten die Wirkungsweise nicht eindeutig belegen und bestehende Risiken
über das Gesundheits- und Pflegesystem der Gesellschaft
aufgebürdet werden. Schließlich widerlegt sich die
Idee des
Enhancements von selbst, wenn man sie in großem
Maßstab
durchspielt: Die geistige Leistungsfähigkeit wird in
Konkurrenzsituationen immer relativ zur Leistung der anderen bewertet.
Das heißt, es sind nur zwei Alternativen möglich.
Entweder
machen alle
davon gebrauch, dann profitieren (absolut) alle und im (relativen)
Vergleich ändert sich nichts. In diesem Fall blieben nur die
gesundheitlichen und finanziellen Kosten. Oder es macht nur
ein Teil
davon gebrauch. Dann würden sich die Erfolgschancen
verschieben;
wer die Mittel nimmt, verschafft sich einen Vorteil, für den
die
anderen einen Wettbewerbspreis bezahlen. Wird der Zugang
über den
Preis reguliert, dann führt das Cognitive Enhancement zu einer
ungerechteren Verteilung der Chancen in Schulen und der intellektuellen
Arbeitswelt. Das würde sozialen Unfrieden
heraufbeschwören. |